Ich werde oft gefragt, wie lange ich an „Vitamin V wie Wohnung“ gearbeitet habe. Viereinhalb Jahre, sage ich dann. Dabei staune ich jedes Mal selbst, dass das so lange gedauert hat. Und schiebe dann hinterher, dass ich ja nicht viereinhalb Jahre lang durchgeschrieben habe, es waren – leider – einige längere Pausen darin. Um die soll es hier gehen: Schreibblockaden.
Tandem verpflichtet
Nach der Initialzündung habe ich mich im Mai 2013 frohgemut ans Plotten gemacht, die Figuren entworfen und auch bald angefangen zu schreiben, das war schön und hat Spaß gemacht. So habe ich fröhlich vor mich hin gearbeitet, bis mir die bezahlte Arbeit irgendwann einfach keine Zeit mehr ließ. So bliebt das junge Projekt – ohnehin noch mit dem unverbindlichen Status „mal sehen, ob ich das überhaupt fertig kriege“ – im Herbst wieder liegen.
Das Jahr 2014 brachte frische Inspiration, „schuld“ daran war ein Abend mit einer Freundin: Wir stellten fest, dass wir beide private Projekte am Start hatten, und auf einmal waren Lust und Feuer bei mir wieder da, ich brannte lichterloh! Nun ging es munter weiter, mit einer „Komplizin“ an meiner Seite, mit der ich mich regelmäßig über die Fortschritte ausgetauscht habe. So ein Arbeitstandem ist sehr hilfreich: Man teilt der Partnerin mit, was man bis zum nächsten Telefonat in, sagen wir zwei Wochen, erreicht haben wird. Dabei handelt es sich nicht um eine lose Absichtserklärung, sondern um eine verbindliche Zusage, nun steht man in der Pflicht. Und muss liefern! Und da keine Ausreden gelten, schafft man auch was.
Tipp Nummer 1: Hole dir eine/n Tandempartner/in ins Boot und bringe auf diese Weise mehr Verbindlichkeit in den Arbeitsprozess.
„Sie müssen sich zwingen“
Der nächste Einbruch ließ jedoch nicht lange auf sich warten: Im Frühjahr 2014 kassierte ich einige Absagen von Literaturagenturen (zwar schrieb mir eine Dame, „Schreiben können Sie, das ist keine Frage“, was mich natürlich sehr gefreut hat, aber am Ergebnis änderte das trotzdem nichts). Dieser Fehlschlag nahm mir ordentlich den Wind aus den Segeln und raubte mir alle Freude an meinem Projekt, am Weiterarbeiten. Drei Monate lag ich innerlich brach und durch diese Pause ging mir auch der emotionale Kontakt zur Geschichte und zu den Figuren verloren. (Das Tandem lief zu diesem Zeitpunkt aus, da meine Partnerin verhindert war.)
Das war jammerschade, denn meine Figuren und ich, wir hatten schon so tolle Zeiten miteinander gehabt. Es war wirklich vorgekommen, dass ich total drin war in einer Szene und die Figuren ganz von selbst die Regie übernommen hatten, ich musste nur noch mitschreiben, wie sie sich unterhielten. Eine irre Erfahrung! Aber diese Nähe war mir nun verloren gegangen.
Ich musste mich zwingen, mich wieder an die Arbeit zu machen. In kleinen Stückchen, einfach um wieder reinzukommen. Ich begann daher jeden Arbeitstag mit mindestens einer halben Stunde Arbeit am Buch. Wirklich als allererstes. Keine Mail abrufen. Nicht ins Internet schauen (außer zum Recherchieren natürlich). Nicht ans Telefon gehen. Nicht über Los gehen. Und so kam ich langsam wieder rein in die Geschichte und die Figuren.
Tipp Nummer 2: Richte regelmäßige Schreibzeiten ein und sorge dafür, dass du nicht abgelenkt wirst.
Rendezvous mit den Figuren
Im Februar 2015 war das Manuskript ganz fertig. (Das erste Mal.) Meine Testleser hatten mir positives Feedback geschickt, empfahlen aber auch einige Änderungen. Die umzusetzen fiel mir unendlich schwer. Vieles sah ich ja vom Kopf her ein, aber die Vorstellung, den Plot umzustricken, Figuren zu verändern, gar neue hinzuzudichten, war zu überwältigend. Und ehrlich gesagt hatte ich so gar keine Lust dazu, all dies noch einmal neu zu denken. Schließlich hatte ich doch den ganzen Ablauf so sorgsam austariert! Und so tat ich erstmal – nichts. (Naja, fast nichts. Erste Szenen mit einem netten Kindergartenvater entstanden, aber irgendwie passte Henning doch nicht in die Geschichte. Beziehungsweise, ich hätte sie zu stark umstricken müssen, siehe oben.) Durch die Pause entfernte ich mich wieder von meinen Personen und war sehr unglücklich, weil es gar nicht voran ging.
Auf den Rat meiner Tandempartnerin hin setzte ich mich mit meinen Figuren zusammen. Überlegte noch einmal, was sie ausmacht, wie sie ticken, was sie antreibt, wie sie mit den Ereignissen im Buch umgehen. In Kombination mit Tipp Nummer 2 habe ich mich also ein bisschen selbst ausgetrickst: Die Figuren anschauen und neu kennen lernen war ja nicht schreiben … Aber so kam ich wieder in die Geschichte rein.
Tipp Nummer 3: Nähere dich der Aufgabe einfach einmal von einer ganz neuen Seite her. (Und beachte weiterhin Tipp 2!)
Brenne!
„Das Leben muss man manchmal einfach ausprobieren“: Die Postkarte mit diesem Spruch hat mich über all die Jahre der Arbeit an „Vitamin V wie Wohnung“ begleitet. Sie steht an meinem Schreibtisch und hat mich in Phasen, wenn ich mutlos war und zweifelte, daran erinnert, was mir der Wunsch, das Buch fertigzustellen und zu veröffentlichen, bedeutete. Nicht nur des Buches selbst wegen, sondern auch weil ich für mich wissen wollte: Kann ich das? Und es hat tatsächlich jedes Mal funktioniert.
Mutlosigkeit ist zwar keine Schreibblockade im eigentlichen Sinne, kann aber trotzdem verdammt hinderlich sein. Deshalb:
Tipp Nummer 4: Platziere einen Talisman an deinem Arbeitsplatz, der dich immer an dein Wunschziel erinnert.
Und jetzt ihr
Was sind eure Tipps bei Schreibblockaden? Sicher gibt es noch viel mehr gute Herangehensweisen. Ich bin gespannt!
Danke für diesen schönen Beitrag. Der Tipp mit dem Talisman gefällt mir sehr gut.
Mir helfen bei Schreibblockaden:
– weglaufen – beim Joggen oder Schwimmen bekomme ich die besten Ideen
– einfach schreiben – wenn etwas auf dem Papier steht, ist der Anfang da, schön kommt später
– eine Deadline – die hilft natürlich auch. 🙂
Schreibblockaden gibt’s ja auch beim kreativen Übersetzen, nicht nur beim Romaneschreiben. Also: Einmal um den Pudding laufen/gehen – frische Luft tanken, an was anderes denken. Oder am nächsten Tag weitermachen. An manchen Tagen bin ich einfach so gar nicht kreativ.
Oder wie Andrea schon sagt: Einfach anfangen, egal wie holprig – beim späteren Ausfeilen fallen mir dann meist all die guten Formulierungen ein, die mein Hirn beim ersten Schreiben einfach nicht ausspucken wollte.
Danke für eure Kommentare, Andrea und Claudia!
Stimmt, rausgehen und sich bewegen ist auch eine hervorragende Idee, das habe ich auch schon erlebt. Den Tipp sehe ich allerdings eher für akute Blockaden, das hilft nicht bei anhaltender Entfremdung vom Sujet.
Und genau: Erstmal was hinschreiben, Hauptsache, da steht irgendwas. An manchen Stellen kann ich dann noch monatelang rumpolieren, aber andere sind auch mit etwas Abstand betrachtet vernünftiger geraten, als ich zunächst angenommen hatte. Das habe ich auch ein bisschen hier in Tipp Nr. 3 wiedergefunden: http://www.schriftsteller-werden.de/schreibtipps/10-jahre-schriftsteller-werden-de-10-tipps-fuer-mein-frueheres-ich/.